Astrakhan - Mrazovy Hrob
#31
Minea folgte der Gruppe, die sich langsam und darauf bedacht keine Aufmerksamkeit zu erregen, vorsichtig durch die Gassen und Ruinen ihren Weg durch die Stadt bahnte.
Auf der einen Seite genoss sie die leeren, wirklich leeren Straßen ohne Menschen und Geister. Auf der anderen Seite war es ein wenig verstörend gar keine Geister wahrzunehmen, jetzt wo man sich so an ihre ständige Präsenz gewöhnt hatte. Es hätte zudem recht aufschlussreich sein können zu hören, was sie über diese Stadt und ihre Geschehnisse zu erzählen hätten, aber da sie nicht da waren, konnte man eben auch nicht fragen.
Vom Gefühl her - und darauf verließ sich die junge Magierin wirklich ungern - würden sie die Halle der Artefaktausstellung mit der nächsten Biegung erreichen müssen.
Links von Minea war plötzlich ein Rascheln zu vernehmen, eine umgefallene Statue bildete mit ihrem Sockel eine Spalte, gerade so groß das ein Mensch hindurchpassen würde - oder eben ein Eber! Mit einem gefährlich klingenden, grunzenden Schnauben arbeitete sich dieser aus der Öffnung und mit auf das Pflaster klackernden Hufen und aufgestelltem Nackenkamm sprang er auf Minea zu, seine kleinen Schweinsäuglein fixierten sie mit bösartigem Blick.
#33
Minea erstarrte für Sekundenbruchteile. Ihre Hände wurden schlagartig feucht. Es war zu spät die Fächer aus den Taschen zu ziehen, also reagierte sie mehr instinktiv denn durchdacht.
Leise hauchte sie die Formel über ihre Lippen und versetzte dem Wesen noch ehe es sie erreichte einen unsichtbaren Stoß*.

Lev brauchte nicht zu Grigori schauen um den Drang nach vorne zu spüren, schnellen Schrittes war er vor den Magiern und seitlich versetzt zum Eber, die Klinge sauste in einem rreisrunden schrankenartigen Schlag von oben und seitlich in das Genick des Ebers. Die volle Wucht des massiven Schwertes würde dem Tier schon den Rest geben.
#35
Erst nachdem wieder totale Stille eingekehrt war, bemerkte sie, dass sie die Augen zusammengekniffen hatte - scheinbar um dem Einschlag des Ebers zu entgehen. Vorsichtig öffnete sie sie wieder, zerknirscht und in der Hoffnung, dass Niemand ihr verkniffenes Gesicht bemerkt hatte.
Auge in Auge mit dem Eber fand sich Minea wieder, als sie die Augen wieder öffnete. Der Eber stieß ein Schrilles Quieken aus, war ihr unglaublich nah, aber näherte sich nicht weiter. Ob es an ihrem zurückstoßenden Zauber oder an Levs Schwert, das tief im Hals des Eber steckte oder aus einer Kombination aus beidem, war nicht zu erkennen. In diesem Moment zischte ein Pfeil an Mineas Ohr vorbei und trennte ihr dabei eine Haarsträhne ab, bevor er in das rechte Auge der Ebers einschlug.
#37
Die Magier hielt kurz die Luft an als der Pfeil an ihrem Ohr vorbeizischte. Die Augen verengten sich vor Verärgerung. Der Pfeil hätte auch sie treffen können, dennoch drehte sie sich nicht zu dem Schützen um. Ihr Blick ruhte noch immer auf dem Eber. Ihr Vater hatte ihr bereits bei ihrer ersten Jagd in Laurenz beigebracht, dass verletzte Eber noch gefährlicher waren als unverletzte Tiere.
Sie wartete ab, was die anderen Krieger taten. Denn würden sie auch nur abwartend dastehen, würde sie die Sache selbst in die Hand nehmen und sich dabei der umgefallenen Statue bedienen.
Der Körper des Ebers bebte, als dieser seinen letzten Atemzug tat und zu Boden sackte. Von Dimitrij war ein leiser Pfiff zu vernehmen: "Die Knochenmänner, sie haben uns bemerkt und bewegen sich in unsere Richtung!". Grigorij zuckte mit den Achseln: "Wenn wir sie zerschlagen, wer weiß ob sie nicht wieder zusammen sind auf unserem Rückweg. Lasst uns weitergehen, da vorne muss das Haus der Sammlungen sein."
#39
Minea schluckte ihren Ärger hinunter und wandte sich dann von dem Tier ab. Es machte keinen Sinn länger hier zu verweilen und schon gar nicht, wenn diese Skelette hier herumliefen.
Ohne ein Wort oder eine Geste des Dankes an Lev oder Grigori schloss sie sich der Gruppe an.
Nach einiger Zeit erreichten sie das Haus der Sammlungen.
Eisiger Wind pfiff durch die Straßen als sie vor dem Haus der Sammlungen standen. Es erinnerte an mideanische Architektur mit hohen Säulen mit Kapitellen auf denen ein flaches und breites Satteldach ruhte. Die Wände und Säulen waren allesamt aus einem hellen, fast weißen Gestein. Ein verwitterter Schmuckfries zierte die Stirnseite, von der Straße aus konnte man mehrere Figuren darauf erkennen. Entweder war es hier einmal deutlich wärmer gewesen - angesichts der derzeitigen ungemütlich beißenden Kälte die in alle Glieder kroch fast unvorstellbar - oder die Figuren zeigten mystische Gestalten aus lang vergangenen Zeiten, denn sie schienen nur leicht bekleidet zu sein. Alle schienen Gegenstände oder Schriftrollen in den Händen zu halten. Eine große, breite Freitreppe führte hinauf zu einem Portal, die Nachbargebäude zur Rechten und zur Linken lagen größtenteils in Trümmern, schienen aber einmal ähnlich groß gewesen zu sein.
#41
Minea stand neben ihrem Bruder.
"Jemand soll vorgehen und auskundschaften, wie viele Skelette dort sind. Ich würde ungern in eine ganze Gruppe reinlaufen oder aber in eine Falle von irgendjemanden tappen."
Ihr Blick glitt zu Dimitrij. "Probeg, Dimitrij..." Mit einer Geste wies sie ihn an die lange Treppe bis zum Eingang auszukundschaften.
Bis Dimitrij zurückkam hatten sich alle unter das Dach zwischen den Säulen hoch gearbeitet. Die Skelette auf der Straße schienen das Interesse verloren zu haben - oder waren sie einfach zu langsam? "Die großen Türen sind verriegelt", meldete Dimitrij kurz darauf, "aber dort vorne ist eine kleine Seitentüre die wohl jemand aufgebrochen hat. Wir sind vielleicht nicht die ersten dort!"
#43
Minea zuckte mit den Schultern.
"Wenn wir da rein müssen, müssen wir da rein," gab sie zurück. "Also los!"
Vorsichtig arbeiteten sie sich bis zur kleinen Tür, die Dimitrij beschrieben hatte, vor.
"Dimitrij, du gehst wieder vor. Wir folgen dir mit etwas Abstand!"
Es war nicht klug weiter hier draußen zu verweilen, zumal sie vor der gefroren Kulisse der Häuser mehr als genug auffielen und hier oben möglicherweise weithin sichtbar waren.
"Vpered!"
Dimitrij nutze seinen Stab nun tastend und arbeitete sich vorsichtig vor. Juri stemmte die kleine Tür etwas weiter auf und bald standen alle in einer großen Halle. Fackeln waren schnell angezündet. Unzählige Statuen standen in vier langen Reihen, die Halle erstreckte sich mehr als zweihundert Schritt weiter in die Dunkelheit, rechts und links waren kleinere Durchgänge zu sehen.
#45
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