HAUS NIRAKIS

Minea zuckte leicht zusammen, als die Frucht platzte, aber das kindliche Strahlen ihrer Augen hatte keineswegs nachgelassen.

"Das ist ja... toll," brachte sie schließlich hervor und blickte ihn an.

"Drei Tage... Das wird spannend... Ich muss mir etwas zum Schreiben holen, um Notizen zu machen..."

Damit verschwand sie kurz in ihrem Zimmer, um gleich darauf mit einem Notizbuch aufzutauchen. Sie schlug es etwa in der Mitte auf und blätterte. Einige Kritzeleien und unsaubere Zeichnungen kamen zum Vorschein, an denen sie vorbeiblätterte.

Sie kniete sich vor den Tisch und begann sich Notizen zu machen, was sie gesehen hatte. Sie roch an der Frucht, steckte ihre Finger in die Frucht und rieb dann den sauberen und den fruchtbedeckten Finger aneinander. Dann inspizierte sie den Helm und schaute, ob irgendwelche Rückstände gab.

"Hattest du dafür etwas in der Hand oder auf die Haut aufgezeichnet?" Fragte sie beiläufig.

Minea schmunzelte und kritzelte ihre Erkenntnisse in ihr kleines Buch.

"Also in drei Tage ohne Tipps? Gut, ich gebe mein Bestes," gab sie zurück ohne sich zu ihm umzudrehen.

Sie angelte nach einer Lupe, die an ihrem Gürtel hing und begann mit der magischen Analyse.

"Quälst du morgen deinen Erz weiter oder machst du etwas Anderes?"

Die Adeptin kniete noch immer von dem Versuchsaufbau.

Sie erhob sich als der Helm zu wackeln begann und schließlich abhob um zu Hakon zu fliegen. Entsetzt drehte Minea sich zu ihm um und ein Haar, hätte sie ihn für diesen unnützen Einsatz von Magie gerügt.

Erste Regel der Magie - Tue es nicht!

Ihr Kopf ergänzte.

Und wenn du Füße hast, hol dir deine Sache statt Magie dafür zu verschwenden.

Stattdessen lächelte sie. "Das nächste Mal, sag doch etwas und ich bringe ihn dir," sagte sie höflich. "Und natürlich kann ich etwas für dich abholen? Was brauchst du?"

Sie kam nicht umhin zu denken, dass er sie nur beschäftigt halten wollte, damit sie nicht doch auf die Idee kam in Müßiggang zu verfallen oder um ihr eine weitere Aufgabe zu stellen, die sie davon abhalten würde in drei Tagen die Theorie erstellt zu haben. Aber Hakon war nicht Brychan. Das Versagen lag nicht so schwer wie bei ihrem eigenen Meister. Wenn es nicht in drei Tagen fertig war, würden es eben vier Tage werden.

"Das du Magie benutzt hast, ohne das es notwendig war," gab sie tadelnd zurück. "Und dass du Essen zerstört hast..."

Aber sie grinste zumindest. So langsam schien sie tatsächlich ein wenig aufzutauen.

Dann nahm sie ihr Buch hoch und blickte ihre Notizen an.

"Hm, ich bin mir nicht so sicher. Ich habe so etwas noch nicht gesehen, aber auf den ersten Blick scheint es sich um eine punktuelle Verteilung der Magie zu handeln. Das heißt, dass Magie nicht flächig genutzt, sondern gebündelt wird um an einer Stelle massiven Schaden zu erzeugen. Das würde erklären, warum die Frucht zerplatzt ist, aber nicht, warum der Helm keinen Schaden genommen hat. Daher könnte die Magie durch das Metall geleitet worden sein, was mir wiederum seltsam vorkommt. Aber halten wir das mal fest, denn das ist der äußerlich sichtbare Rahmen, den ich habe."

Minea wandte sich der Frucht zu und stocherte wieder mit dem Stift in dem Fruchtfleisch herum.

"Der Schaden scheint auch recht oberflächlich zu sein. Ein Mensch hätte vermutlich eine starke Platzwunde erlitten, möglicherweise aber auch Schlimmeres..."

Minea blickte auf.

"Ich muss gestehen, dass ich derzeit wirklich keine sinnvolle Idee habe. Ich kann mir noch nicht einmal ansatzweise vorstellen, was das Schwarze um deine Hände gewesen sein sollte," sagte sie ehrlich.

Drei Tage würden wirklich schwierig werden ohne Ansatz.

"Wie wäre es, wenn die Magie nicht durch den Helm geleitet worden wäre, sondern nur einen so harten Stoß bekommen hat, dass sie das Zerplatzen der Frucht eingestellt hat..."

Das erschien logischer. Magier konnten erfahrungsgemäß nicht durch Rüstungen wirken, dieses Haus einmal ausgenommen.

"Du solltest dennoch nicht mit Magie spielen, Onkel Hakon. Und da du zwei gesunde Beine hast, kannst du ebenso zum Tisch laufen wie jeder Andere."

Sie war nicht bereit klein bei zu geben in dieser Sache.

Minea rollte mit den Augen. Festgefahrener Meister mit großem Ego!

Doch zuerst kam die Aufgabe.

"Vielleicht war es auch nur eine Abwandlung der Energiehand, aber ich stimme zu, dass nachdem, was wir bisher besprochen haben eine Energiehand vermutlich den Helm mitbeschädigt hätte - sofern es sich bei dem Helm um einen regulären Helm handelt und keinen aus Mithril oder Sternmetall... Wir brauchen daher etwas, was einen Schritt weitergeht, gewissermaßen eine Weiterentwicklung der Energiehand - punktueller und durchwirkender. Die Energiehand trifft eher die Oberfläche. Der Zauber hier ging tiefer..."

"Ich verwende 5 Elemente - Feuer, Wasser, Luft, Erde, Magie oder auch Geist..."

"Und was dieses unnütze Handgefuchtel angeht mit dem Helm. Fähigkeiten trainieren ist eine Sache, Faulheit eine andere. Ist es das, was dir im Haus beigebracht wurde? Jede kleine Darreichung mit Magie zu lösen? Was wenn die Magie eine endliche Quelle wäre? Würdest du es dann noch immer so handhaben?"

Erste Regel der Magie - Tue es nicht!

"Ja, ich habe dich gerade faul genannt, weil du faul bist und mir noch nicht einmal ein Gegenargument liefern kannst, warum meine Theorie, dass die Magie als Quelle möglicherweise nicht endlich ist... Und ich bin keine Streberin! Wäre ich eine, bräuchte ich keine drei Tage für deinen Zauber, hätte schon längst einen ansatz und wäre vermutlich schon längst Vollmagierin! Schmollst du etwa?"

Sie grinste. Zumindest schien sie an diesen Rangeleien Freude zu haben.

Kurz dachte sie an Grigori, schob den Gedanken dann aber zur Seite. Sie hatte jetzt keine Zeit über ihn nachzudenken.

"Du meinst die Geschichte von Astrakjal, wie er Sakaris tötet obwohl er eigentlich auf Inat Laronn lauert?" Wer im Haus kannte die Geschichte nicht? "Es war eine besondere Klinge aus Flüsterstahl, aber was hat das mit dem Zauber zu tun? Oder versuchst du mich nur abzulenken?"

Minea überlegte.

"Die Geschichte kenne ich gar nicht... Möchte der faule Onkel sich überwinden und sie mir komplett erzählen?"

Sie liebte Geschichten und auch in Astrakhan waren ihr diese Abende am Liebsten gewesen. Aber was hatten Schattenklingen mit der Aufgabe zu tun? Er wollte sie verwirren - ganz klar.

"Möchtest du noch etwas trinken?" Fragte sie höflich.

Sie hatte ihm als Lehrling genug ihre Meinung gegeigt und nahm an, dass es nun genug war. Immer wieder wunderte sie sich, wie sehr man sie gewähren ließ, genoß es aber sichtlich nicht mehr nur dem engen Korsett aus Regeln ausgesetzt zu sein. Es tat wirklich gut einen Ansprechpartner zu haben und Bestandteil dieser Familie zu sein.